Von Wurstsemmeln und anderen Erregungen

Politik als Kabarett bringt manchmal das Recht auf Information in Gefahr.

 

Man müsste sich freuen. Es wird politisch wieder etwas bunter und es erreichen uns Nachrichten, die sich nicht nur mit einer Pandemie beschäftigen. Jene PolitikerInnen, die nicht im Zentrum der vielzitierten Pressekonferenzen gestanden sind – oder vergessen hatten, dass ihnen ihr Amt eine aktive Rolle zugeschrieben hätte – sind wieder aufgetaucht. Mit ihnen auch manch wenig erfreuliche Geschichte, die Anlass zur Frage gibt, welch Wertesystem hinter den Handlungen mancher AmtsinhaberInnen steckt.

Ablenkung und Empörung

Da man keine böse Absicht unterstellen möchte, beobachtet man lange schweigend, wie im politischen Homeoffice, fern jeglicher politischer Kontrolle, teilweise vergessen wurde, dass eine Trennung von privatem und politischem Handeln generell nicht möglich ist und daher jede private Aktivität mit den strengen Kriterien der politischen Beobachtung gemessen wird. Jede dementsprechende Kritik wird dann zornig als unangemessen abgeschmettert. Eine Strategie, die nicht nur der aktuelle US-Präsident Donald Trump beherrscht.

Gleichgültig, welche politische Ebene oder welch politisches Couleur betroffen ist, lautet die Reaktion mit Vorliebe: geflissentliche Ablenkung und gespielte Empörung. Meist folgt die eine auf die andere, lediglich die Reihenfolge wird variiert, je nach Robustheit des politischen Nervenkostüms.

Die erstaunliche Geduld der Bevölkerung

Höflich formuliert: Ablenkung ist eine hohe Kunst. Manche Politiker und Politikerinnen sind mit Hilfe gewiefter Berater geradezu Meister darin geworden. Das kann manchmal nach hinten losgehen, wenn ein/e MinisterIn wenig Ahnung von der Materie besitzt und/oder den Kommunikationscrashkurs offensichtlich nicht abgeschlossen hat. Bei jenen allerdings, die diese Kunst der Ablenkung beherrschen, könnte es ein Vergnügen sein zuzusehen, wie diese ausgespielt wird. „Könnte“ ist das wesentliche Wort, denn solche Ablenkung geht immer auf Kosten des Rechtes auf Information, das die Bevölkerung hat.

Sich schnell beleidigt zu fühlen und in trumpscher Manier vorsichtshalber allen KritikerInnen Klagen herbeizufantasieren, mag einschüchternd wirken und das Gegenüber für eine Weile verstummen lassen, doch funktioniert das nur, solange sich die Öffentlichkeit so etwas gefallen lässt. Diese erweist sich zuweilen als erstaunlich geduldig mit ihren politischen VertreterInnen; und selbst anerkannte JournalistInnen fallen auf die bewährte Strategie herein.

Moralische Fehltritte empören mehr als Korruption

So lautet das Zitat der Woche: „Der Herr Krainer mampft Wurstsemmel während der Befragung.“ Wenn es nicht so beschämend wäre, könnte man sich bestens amüsieren. Doch die Sätze stammen nicht aus einem Kabarett, sondern aus einem ORF-Interview von Armin Wolf mit Sektionschef Christian Pilnacek. Anstatt aufzuklären, welche Verbindungen er zu bestimmten Personen hatte und hat, ging er zum Angriff über. Strategisch nicht ungeschickt, zumal solch ein Sager wie jener vom mampfenden Nationalrat diesen auf einem Niveau trifft, auf dem er sich nicht zu wehren vermag, da die moralische Beurteilung zumindest eine Zeit lang jegliche politische Bewertung überdeckt.

Die Strategie ging dementsprechend auf: Die Medien übernahmen das Zitat und die Öffentlichkeit beschäftigte sich mit dem Appetit des einen Abgeordneten und der Körperhaltung einer anderen Nationalrätin, der im selben Interview vorgeworfen wurde, im Untersuchungsausschuss gelümmelt zu haben. Genau hier würde es wache BürgerInnen brauchen. Der Ordnungsruf nämlich muss nicht an die beiden Abgeordneten gerichtet werden, denn diese haben selbst zu entscheiden, ob sie mit einer Diskussion ihrer Kinderstube in den Medien auftauchen wollen oder mit ihrer politischen Arbeit. Die Öffentlichkeit hingegen hätte die Aufgabe, laut aufzuschreien, sobald es zu solch einem Versuch einer Ablenkung kommt, wie Pilnacek sie probiert hat.

Man bringe die Kabarettisten herein

Der Aufschrei bleibt in solchen Situationen häufig aus. Macht bringt offensichtlich Vorteile, wenn die Bevölkerung und die JournalistInnen nur zuschauen. Besser wäre es, unbequeme Fragen zu stellen, immer wieder aufs Neue, bis klar wird, dass die Bürgerinnen und Bürger fähig sind, die Kommunikationsstrategien ihrer PolitikerInnen sowie von deren Beamten zu durchschauen und das einzufordern, was Korruption und ihr ähnliche Handlungen zumindest aufdeckt: Transparenz.

Ehe das der Fall ist, werden noch zahlreiche PolitikerInnen und hohe BeamtInnen in gespielter Empörung „Majestätsbeleidigung“ rufen können. Die Entscheidung aber bleibt der Öffentlichkeit: Hinzunehmen, was ihnen politisch aufgetischt wird oder aktiv zu werden und sich dann zu amüsieren. Humor nämlich gilt als eine der eindrucksvollsten und sympathischsten politischen Waffen, während Ärger und Ehrfurcht zu nichts Brauchbarem führen. Im besten Fall ist es die Bevölkerung, die zuletzt lacht.

Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt