Wohin sind die Kommunikationsberater der Regierung verschwunden?
Man gebe eine Vermisstenanzeige auf: Wohin sind die Kommunikationsberater der Bundesregierung verschwunden? Und warum scheint manche Landesregierung nie welche besessen zu haben? Dabei ist so offensichtlich, was die Bevölkerung derzeit mehr braucht als jede Corona-Regel: Erklärungen, Geduld, Vertrauensbildung.
Über den Sommer ist viel geschehen. Mit der Wärme kamen vermehrte Kontakte mit Menschen, die man vermisst hatte, die Schanigärten füllten sich, die Geschäfte florierten wieder. Selbst die Touristen kamen und die Angst wich ein wenig zurück.
Der Verlust der einfachen und klaren Worte
Auch in der Regierung geschah etwas, allerdings mysteriöses. Sie verlor, was sie im Frühling ausgezeichnet hatte: Krisenmanagement und Kommunikation.
Vor einigen Monaten war die Stärke von Gesundheitsminister Rudi Anschober, dass er in einfachen und deutlichen Worten vermitteln konnte, was zu tun ist, warum es zu tun ist und was dann geschieht. Diese Fähigkeit erleichterte es, gegen alle Lebensfreude die strengen Regeln einzuhalten.
Tatsächlich gingen die Zahlen nach unten und es entstand ein Vorgefühl von Hoffnung. Derzeit wiederum sind nicht so sehr die steigenden Infektionszahlen problematisch, sondern der Umstand, dass die Bundesregierung das Kommunizieren verlernt hat. Anstatt der klaren Worte stehen vage Ankündigungen, dass man irgendwann demnächst irgendwelche Maßnahmen ankündigen werde.
Alle Gewissheit verpufft
Als BürgerIn weiß man weder, wie man die nächsten Tage und Wochen planen soll, noch ob man noch darauf vertrauen kann, dass die Regierung mehr weiß als man selbst. Es entspricht einer Grundregel, dass die Regierung ein Vorwissen hat, dieses reflektiert, Pläne entwickelt und für die Bevölkerung übersetzt. Nichts von dem ist derzeit zu sehen. Eine unklare Maßnahme löst die nächste ab, um kurz darauf von einer neuen abgelöst zu werden. Selbst das kann sinnvoll sein, wenn man dazulernt oder sich die Fakten ändern, doch es wird zunehmend schwieriger, all die Schritte nachzuvollziehen und darauf zu vertrauen, dass die Regierung dieses notwendige Vorwissen überhaupt besitzt.
Das Kommunikatonsloch korreliert zeitlich mit dem Einsinken der Verschwörungslegenden in den Alltag. Was früher als Aluhut abgetan wurde, wird nun ohne Schamgefühl zitiert. Man darf „alternative Fakten“ unwidersprochen verbreiten und wenn man wissenschaftlich korrigiert wird, beruft man sich auf die Meinungsfreiheit. Die Regierungen auf (inter)nationaler sowie regionaler Ebene scheinen in ihrer Selbstbeschäftigung nicht zu bemerken, welch gefährliche Stimmung sich außerhalb ihrer Regierungsgebäude zusammenbraut. Anstatt umsichtig aber entschieden zu agieren, wird herumlaviert. Doch derzeit kann man sich den ansonsten sympathischen Schludrian nicht leisten. Die Situation geht von der Krise zunehmend in einen Konflikt über, der die Bevölkerung spaltet und jegliches demokratische Agieren auf die Probe stellt.
Konflikttransformation geht anders
Die Tiroler Landesregierung setzt noch eines drauf, indem sie ihr Mantra, man hätte alles richtig gemacht, entgegen aller Kommissionsberichte und aller Logik weiterführt. Die Wiederholung eines Mantras kann zwar kräftigen, es ist aber schwer nachvollziehbar, dass Politiker so überhaupt kein Verständnis dafür haben, was die Bevölkerung braucht und hören sollte.
Konflikttransformation funktioniert anders. Sie ist in ihren Grundregeln sehr einfach: Zuhören und miteinander sprechen. Wie oft muss man das wiederholen, bis es gehört wird? Warum gehen Worte der Entschuldigung so schwer über die Lippen? Sie tun nicht besonders weh, kosten kein Geld, sondern lediglich das Beugen des eigenen Hauptes. Es kann guttun, sich zu entschuldigen und zuzugeben, dass man gerade nicht weiterweiß. Das öffnet die Möglichkeit, die politischen Gegner einzubeziehen und in ihre Pflicht zu nehmen. Denn vielleicht haben sie hilfreiche Ideen.
„Man kann stark und freundlich sein.“
Also, wo sind die KommunikationsberaterInnen? Und warum empfehlen sie nicht jene Strategie, mit der die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern soeben einen bewundernswerten Wahlsieg erreicht hat: „Ich rebelliere gegen die Idee, dass Politik ein Ort des Egos sein muss, wo man sich ständig darauf konzentriert, Punkte gegeneinander zu sammeln. Ja, wir brauchen eine robuste Demokratie, aber man kann stark und freundlich sein.“
Dafür allerdings braucht es nicht nur PolitikerInnen, die bereit sind, Fehler einzugestehen (die zu Beginn der Coronakrise ohnehin jede/r gemacht hätte), sondern es benötigt auch eine Bevölkerung, die nicht alles, was im Internet hereinschneit, unbedacht teilt. Wissenschaft ist kein Teufelswerk, sondern basiert auf Fakten, und neben den PolitikerInnen tut es auch jeder und jedem Einzelnen gut, selbständig zu denken und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden. Stark und freundlich können wir nämlich alle sein.
Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt