Von Stillstand und der Chance auf Partizipation

Wähler und Wählerinnen brauchen die Möglichkeit, sich zu engagieren.

 

Wenn eine Partei am Ende ist, braucht es ein Gerücht, um wieder in die Medien zu kommen. Im Falle eines gestolperten Politikers, der noch vor eineinhalb Jahren Vizekanzler sein durfte, wird tief in die Verschwörungskiste gegriffen. Irgendjemand findet das schon wahr genug, um ihm politisch zu folgen. Sein ehemaliger Parteikollege und Beinahe-Bundespräsident wundert sich, was an Karriereabfall alles möglich ist und greift strategisch auf einen alten Trick zurück: die Gerüchteentwicklung.

Man erfindet ein Gerücht oder erzählt von jemandem, der kürzlich etwas erfahren habe, selbstverständlich aus geheimer, aber naher Quelle und der auch weiß, dass das Ganze noch geheim bleiben solle. Dadurch gerät man als Zuhörender in den privilegierten Status, etwas wissen zu meinen, das eigentlich noch niemand wissen sollte und darum wohl wahr sein muss. Etwa, dass Rudi Anschober mit seinen vielen Medienterminen nur Werbung für seine Wahl zum Bundespräsidenten mache.

Wohin wenden sich die Wähler und Wählerinnen?

Dabei geht es nicht im Geringsten darum, was Anschober möchte oder plant. Er hat keine andere Möglichkeit als abzustreiten, denn bei einem Ja wäre er als Gesundheitsminister ab sofort nur noch interimistisch tätig – eine lame duck. Das Nein, das Hofer, als er das Gerücht in den Raum stellte, durchaus erwartet hatte, ist nur partiell glaubwürdig, weil solche Charaden zunächst immer abgestritten werden. Hofer macht sich das zunutze und kann selbst noch ein wenig in den Schlagzeilen verweilen. Anderes hat der Oppositionspolitiker nicht mehr zu berichten. Manche meinen, das sei gut so. Doch wohin wenden sich die WählerInnen?

Es fehlt derzeit allen an Ideen jenseits von Corona – Regierung wie Opposition. Die Medien spielen mit, indem sie berichten, was jeder in den letzten Monaten unzählige Male gehört hat: Die Fallzahlen an Covid-Erkrankungen sinken, um Himmels Willen, sie stiegen massiv, eine Ampel wird es schon richten, es wird alles wieder halbwegs normal, nein, es wird „neu normal“, es wird nie wieder wie früher; die Bevölkerung ärgert sich, langweilt sich, mag nicht mehr, hält sich an nichts, ist ach, doch so brav, lässt viel zuviel mit sich machen, erkennt nicht den Wert der Solidarität. Nochmals, wohin wenden sich die WählerInnen?

Es gab schon bessere Zeiten für Politiker und Politikerinnen

Die beiden Chefs der Rechtsaußenparteien haben nichts mehr zu sagen, die Regierung ermüdet an ihren Pressekonferenzen, ihren Marketingleuten gehen die Stichworte aus. Keine süßen Babyelefanten mehr, sondern das Virus im Auto, der Urlauber als Täter, zugleich als Verräter, weil er in der Krise das Geld ins Ausland getragen hat. Gleichzeitig wird gehofft, dass nicht-österreichische TouristInnen ebendies tun. Deshalb sind sie auch die Braven, die Gesunden, während den österreichischen AuslandsurlauberInnen oder nach Österreich zurückkehrenden Heimatbesuchern das Pickerl der Virusträger aufgeklebt wird. Die korrekten Maßnahmen sind inzwischen weniger das Problem als die Kommunikation.

Wenn alles ein Wiederkäuen des Gleichen scheint, ist dies auch ein Zeichen dafür, dass Politik andere Wege braucht. Die Themen wären da – durchaus auch jenseits von Corona – und es gibt für jedes Thema Menschen, die sich leidenschaftlich und mit viel Geduld engagieren, keinesfalls aber im Rahmen einer Partei agieren möchten. Sie wissen, Demokratie bedeutet, sich für etwas einzusetzen und dabei nicht unbedingt zu gewinnen, es aber versucht und damit potentiell zu einem Umdenken beigetragen zu haben. Parteien hingegen müssen den großen Gewinn machen, denn ein kleiner Gewinn wird als Stillstand interpretiert und dieser als eigentlicher Verlust. Sagt das nicht schon genug, um zu wissen, dass Parteipolitik nicht der klügste Weg sein kann?

Plattformen der Kreativität zulassen

Wenn das letzte halbe Jahr eines gezeigt haben müsste, dann dass die ständigen politischen oder wirtschaftlichen Superlative nicht funktionieren und dass es nicht immer aufwärts geht, sondern vernünftiges und umsichtiges Agieren wichtiger sein könnte, als der angepeilte sich ständig steigernde Gewinn.

Wann, wenn nicht jetzt, wäre es sinnvoll, engagierten und vor allem jungen Menschen Plattformen zu geben, damit diese ohne parteipolitischen Druck und Einfluss, neue Lösungen erarbeiten können, die dann großflächig diskutiert und mit ExpertInnenhilfe umgesetzt werden. Kinderparlamente auf der ganzen Welt haben bewiesen, dass junge Menschen, die noch nicht wissen, dass die freie Meinung nicht immer opportun ist, und die daher tatsächlich frei agieren können, brauchbare und praktische Lösungen entwickeln. Das wäre Partizipation.

Natürlich ist es für PolitikerInnen ein Risiko, Bürger und Bürgerinnen wirklich einzubinden und ihnen den Raum zum Agieren zu geben. Doch zum Ewig-Gleichen gibt es nicht mehr viel hinzuzufügen, das hilfreich wäre. Sehr wohl aber gibt es viel zu tun. Und das sollten nicht nur Aufräumarbeiten sein. Dann gibt es auch wieder WählerInnen, die eine Wahl haben.

Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt