Was bringt das Ende des Amtsgeheimnisses?

Mit dem Recht auf Information kommt auch die Pflicht, diese einzufordern.

 

Mit Statistiken sollte man vorsichtig umgehen, doch zuweilen zeigen sie interessante Tendenzen. Aktuell sehr passend: Das Rating von „Global Right to Information“, einem Programm, das sich ansieht, wie es weltweit um das Recht auf Zugang zu Informationen aus öffentlicher Hand steht. Das sagt nichts über die Freiheit in einem Land aus, sonst könnte Afghanistan nicht an erster Stelle stehen, sondern es geht tatsächlich nur um die gesetzliche Möglichkeit, Informationen einzufordern. Unter den am schlechtesten bewerteten Staaten befinden sich Liechtenstein, Jordanien und Deutschland. Den allerletzten Rang hält Österreich.

Man kann es nun als eine Folge der Causa Blümel sehen, als Ablenkungsmanöver, Geschenk an den geduldigen Koalitionspartner – oder einfach als Notwendigkeit, nachdem alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Amtsgeheimnis schon lange aufgehoben haben.

Noch kein Sieg, aber ein Beginn

Nun also auch Österreich. Die Grünen feiern das neue Gesetz zur Informationsfreiheit in den Medien bereits als großen Sieg. Tatsächlich ist ein solches Gesetz nicht nur überfällig, ohne die Grünen hätte sich auch jetzt wenig bewegt, zumal Vorgängerregierungen aus verschiedenen Parteien recht zögerlich mit einem solchen Gesetzesentwurf umgegangen sind. Allerdings ist von Sieg noch keine Rede. Das Stichwort lautet „Entwurf“. Dieser geht erst in Begutachtung und muss vorher noch den anderen Parteien vorgelegt werden, weil es eine Zweidrittelmehrheit braucht, um das Amtsgeheimnis aus der Verfassung hinauszukomplimentieren.

Dementsprechend kommen derzeit Empfehlungen von vielen Seiten und erste berechtigte Kritik zu einigen durchgesickerten Punkten, wie jenem, dass – nicht zuletzt zur Entlastung der Gemeinden – Studien, Gutachten und Verträge erst über 100.000 Euro proaktiv veröffentlicht werden müssen. Die Zahl an Verträgen mit seltsamen Kosten knapp unter dieser Marke dürfte sich demnach in nächster Zeit steigern.

255 Jahre nach Schweden

Die Bedeutung des Gesetzes wird allerdings erst mit einem Vergleich deutlich: In Schweden wurde das erste Gesetz zur Informationsfreiheit im Jahr 1766 unter dem Titel „Öffentlichkeitsprinzip“ durchgesetzt. In Österreich befand man sich zur selben Zeit mitten im Absolutismus unter Kaiserin Maria Theresia. Das liegt 255 Jahre zurück und nun darf sich auch die österreichische Bevölkerung auf mehr Zugang zu Informationen freuen. Was bisher als „öffentliche Hand“ beschrieben wurde, wird nun vielleicht tatsächlich zu einer solchen, wenngleich mit einigen bereits angekündigten Schlupflöchern. So können die Behörden die Auskunft verweigern, wenn es um die Sicherheit, den Personen- oder Datenschutz geht. Juristen werden viel Arbeit haben, dies im Zweifelsfall festzulegen.

Die 250 Jahre nach Schweden bergen eine weitere Tücke: Man ist es in Österreich nicht gewöhnt, Informationen zu bekommen und muss daher erst lernen, solche überhaupt zu wollen und dann den Mut aufzubringen, nachzufragen. Die Mentalität, zu behaupten, dass sich sowieso nie etwas ändern wird, ist hier nicht hilfreich. Auch das weit verbreitete Gefühl, man könne selbst nichts ändern, ist fatal für die Informationsfreiheit. Noch mehr allerdings ist es die Angst vor den latenten Drohungen insbesondere in ländlichen Gegenden, wo man meint, seinem Bürgermeister oder anderen Mandataren etwas schuldig zu sein und deshalb nicht lästig sein zu dürfen.

Nachzufragen heißt nicht, ein Querulant zu sein

Zweifellos wird die Aufgabe der BeamtInnen durch das Gesetz nicht einfacher. Sie werden viel Zeit damit verbringen, Anfragen zu beantworten, und wahrscheinlich werden sie immer wieder auf die gleichen Personen stoßen, die sie mit Anfragen „quälen“, doch genau hier muss der Kulturwandel ansetzen: Jene, die nachfragen, kritisieren und mehr wissen wollen, sind nicht per se Querulanten. Es wird ihr Recht sein nachzufragen, und das ist gut so, denn die Recherchen dieser vermeintlichen Querulanten werden immer wieder etwas aufdecken und damit auch die Möglichkeit für Veränderung mit sich bringen. Genau sie braucht ein demokratisches System, so lästig es sein mag.

Die Informationsfreiheit kann nur zu Leben erweckt werden, wenn das Recht darauf von der Bevölkerung angenommen und angewandt wird. Jedes Transparenzgesetz ist wertlos, wenn die Bevölkerung keine Transparenz fordert. Die Kulturveränderung, die von den Beamten erwartet wird, bezieht sich daher in gleichem Ausmaß auf die Bevölkerung. Transparenz geschieht nicht von selbst. Sie einzufordern, könnte ein erster Schritt sein, um davon wegzukommen, dass jemand aus Gewohnheit oder Angst wiedergewählt wird. So gesehen ist es gleichgültig, was dazu geführt hat, dass dieses Gesetz nach so vielen Jahren auch in Österreich in Begutachtung geht.

 

Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt